FIND YOUR ROAD – Interview
Wir haben kürzlich über die 3. Russland-Expedition von Christian Tiffert berichtet, mit der er das Ziel verfolgt Kontakte zwischen Ost und West aufbauen.
Mich hat der Gedanke nicht losgelassen, herauszufinden, was Christian Tiffert dabei motiviert, diesen persönlichen Weg zu gehen. Wer ist der Mann hinter www.find-your-road.com?
In einem mehrstündigen Gespräch bei ihm zu Hause durfte ich ihn und seine Ideen kennen lernen. Vor dem Unfall ein Mann in den besten Jahren: 35 Jahre alt, abgeschlossenes Maschinenbaustudium, Diplom-Ingenieur, Marineoffizier, Berufssoldat. Sein Unfall: an sich eine unspektakuläre Situation. Er fuhr allein im Rahmen des Dienstsports mit dem Rad, überschlug sich und lag am Boden, als er bemerkte, dass sein Körper plötzlich von jetzt auf gleich völlig bewegungsunfähig geworden war. Er wurde sich seiner Querschnittslähmung mehr und mehr gewahr. Christian Tiffert berichtet darüber mit gesenkter Stimme und gesenktem Blick. Seine Ängste, nicht gefunden zu werden und seine Hoffnung – „ein Hund, der jetzt im Wald Gassi geht, das wäre mal richtig gut“.
Er habe viel Zeit gehabt, über sein bisheriges Gefühl der Unverletzlichkeit nachzudenken. Dieses Gefühl war innerhalb von Sekunden ausgelöscht. Er habe es sich nach dem Unfall Stück für Stück neu erarbeiten müssen. Immer wieder ein neues Teilstück an das nächste „angebaut“. Oft fällt ein Satz bei ihm: „Das machen wir jetzt so.“ Christian Tiffert hat viele Entscheidungen von sich und anderen verlangt. Er hat die Macht des Faktischen provoziert, um wieder zurück ins Leben zu kommen. Noch heute führt er vor dem BGH ein Klageverfahren um die Haftung des Schädigers. Das steht nicht im Mittelpunkt seines Lebens. Er hat sich entschieden, seinen neuen Weg nach dem Unfall zu finden und zu gehen. „Find your road.“ Immer noch nachdenklich formuliert er seine Einsichten aus der Zeit nach dem Unfall. Er habe gelernt, nichts und niemanden zu werten. Alles und jeder hat seine Berechtigung. Auch „kleine“ Probleme können manchmal für Menschen im Einzelfall riesengroß sein. Man darf das nicht abwerten, weil die Sicht des Einzelnen seine Berechtigung hat. Nicht sich oder das eigene Schicksal daran zu messen, das hat ihm den Kopf freigemacht, um selbst wieder auf den eigenen Weg zu kommen.
Dann kehrt Leben in seine Stimme und in sein Gesicht zurück: er erzählt von seiner Idee „nach Russland zu fahren – es einfach auszuprobieren“. Ein Mann, 7 Jahre nach dem Unfall, in einem wuchtigen Rollstuhl, von den Schultern abwärts gelähmt.
„Grenzen gibt es nur im Kopf.“
Das gigantische Mindset eines Mannes, der zur fast völligen Bewegungslosigkeit verdammt ist!
Am 05.09.2019 bricht Christian Tiffert mit seinem Team auf: von seinen 7 Assistenten kommen 3 mit. Einen Assistenten hat er zusätzlich angeheuert. Begleitet werden sie noch von einem Journalisten, einer Dolmetscherin und einem Fahrer. Der Kameramann vom letzten Jahr begleitet die Reise von Deutschland aus und bereitet die Bilder und Videos hier auf, bevor sie öffentlich gemacht werden. Monatelang hat sich Christian Tiffert mit seinem Team vorbereitet. In diesem Jahr wird er schwerpunktmäßig Kontakt zu russischen Kinderheimen aufnehmen, in denen körperlich und/ oder geistig behinderte Kinder untergebracht sind. Eine große Kiste Spielzeug reist mit, die er aus Spenden und Eigenmitteln zusammengekauft hat.
Die meisten Menschen (mit und ohne Unfall!) konzentrieren sich auf das, was sie nicht können, was sie nicht haben, was ihnen vermeintlich zu Unrecht genommen wurde und wo ihre Defizite liegen.
Nicht so Christian Tiffert. Der große Mann mit Brille und Rauschebart, der für jeden Handgriff die Hände seiner Assistenten benötigt. Er hat die Grenzen in seinem Kopf längst überwunden. Er ist auf seinem Weg – find your road.
Warum bereist er ein drittes Mal Russland mit seinem umgebauten Bus, vollgestopft mit Hilfsmitteln und Geschenken? Was erwartet er von dieser Reise? Die Antworten darauf finden Sie in einem kleinen Interview:
Das geografische Ziel in diesem Jahr ist Surgut, eine Stadt, die noch einmal 1.500 km nordöstlich von Jekaterinburg in Sibirien liegt. Insgesamt ist das Team 30 Tage unterwegs und wird ca. je 2 Wochen für den Hin- und Rückweg zur Verfügung haben. Täglich werden die Teilnehmer viele Stunden im Auto verbringen, Menschen treffen und sich auf nicht gekannte Herausforderungen und neue Abenteuer einlassen.
Nach seinen nächsten Reiseplänen befragt, lacht Christian Tiffert. Er möchte 2020 über Norwegen und das Nordkap Russland erreichen. „Das machen wir jetzt mal so.“
Nebenbei: Christian Tiffert ist wieder Student. Er hat sich an der Universität Rostock eingeschrieben im Fachbereich „Good Governance“ und hat in der vergangenen Woche noch eine Prüfung abgelegt, bevor er mit Hochdruck die letzten Reisevorbereitungen umgesetzt hat.
Find your road
Es ist uns eine Herzensangelegenheit, ihn zu begleiten. Schauen Sie auf seinen Blog findyourroadblog.wordpress.com und lassen Sie sich inspirieren von den Etappen seiner Reise und seinen Erlebnissen.